Wirtschaft verstehen

von Ioannis Alexiadis

Wohlstand für alle

Menschen produzieren Waren und betreiben Handel um ihren Wohlstand zu steigern. Die erstellten Produkte und Dienstleistungen erleichtern und verbessern das Leben der Menschen. Wohlstand hängt also vom aktuellen Produktionsniveau und der Produktionskapazität einer Gesellschaft ab.

Doch wie viel und was sollte produziert werden? Die Komplexität dieser Entscheidung erfordert eine Abwägung zwischen Konsum sowie sozialer und Umweltaspekte. Es bestehen Zielkonflikte im Umgang mit Knappheit die vom Machtgefüge in Gesellschaften abhängen und Verlierer, wie auch Gewinner produzieren.

Der Anteil einzelner Individuen an der Wohlstandsproduktion ist dabei kaum messbar, da die Produktivität von einzelnen Arbeitnehmern in arbeitsteiligen Wirtschaftsprozessen nicht ermittelbar ist. Eine gerechte Verteilung anhand einer Produktivitätsmessung ist damit nicht möglich.

Absolute und relative Knappheit

Hindernis für Wohlstand ist Knappheit. Aber Knappheit ist nicht gleich Knappheit.

Absolute Knappheit herrscht bei natürlichen Ressourcen, Aufmerksamkeit(mentalen Ressourcen), Zeit, Raum und Handelswaren vor. Sie sind endlich, auf eine bestimmte Größe begrenzt oder besitzen eine kurzfristig nicht veränderbare Kapazitätsgrenze.

Relative (wahrgenommene) Knappheit ist mit individuellen Werten, wie Freiheit, Status oder Identität verbunden. Sie wirkt sich auf das Konsumverhalten der Menschen aus und überträgt dadurch wahrgenommene Knappheit auf den Verbrauch natürlicher Ressourcen oder die Verfügbarkeit von Waren (Kapazitätserhöhung bzw. -minderung). Sie beeinflusst aber auch die Entscheidungen der Führungskräfte innerhalb einer Wirtschaft.

Unternehmen kommunizieren Knappheit auf betriebswirtschaftlicher Ebene um Konsum und Preis ihrer Produkte zu steigern, z.B. in durch Werbung transportierten Werten, bzw. in Form limitierter Ausgaben von Produkten oder Temporary Stores.

Auf politischer Ebene nehmen sie Einfluss durch Lobbyismus. Auf Märkten wird künstliche Verknappung durch strategische Aktionen, wie Spekulation erzeugt.

Organisation und Struktur von Wirtschaft, Arbeit und Handel

Wettbewerb

In vielen Märkten ist der Wettbewerb eingeschränkt weil es sich um ein Natürliches Monopol handelt, oder verschiedene Effekte zu Eintrittsbarrieren für neue Konkurrenten führen.

Netzwerkeffekt: Je mehr Nutzer ein Produkt nutzen desto attraktiver wird es, weil Ihnen eine größeres Netzwerk zur Verfügung steht. Das Paradebeispiel sind soziale Medien.

Skaleneffekt: Bei höherer Produktionsmenge treten Kostenvorteile zum Vorschein, wie es in der Automobilindustrie, im Einzelhandel, in der Versicherungswirtschaft oder bei Betriebssystemen der Fall ist.

Feedbackeffekt: Das Sammeln einer Vielzahl von Nutzerdaten lässt diese auf unterschiedliche Weise verwerten, z.B. im Training künstlicher Intelligenz. Im Vorteil sind Firmen wie Facebook, Google oder Tesla. Allerdings ist China hier aufgrund seiner Bevölkerungsmasse und den geringen Datenschutzbestimmungen auf dem Vormarsch.

Bei Märkten mit geringem technologischem Potential und keinen nennenswerten Skaleneffekten entwickelt sich Vollkommene Konkurrenz. Diese führt aber in den jeweiligen Märkten zu geringer Wertschöpfung, geringen Löhnen und Gewinnen.

Sind in einer Branche Technologiesprünge und Innovationen machbar und wünschenswert dann ist Wettbewerb sinnvoll. Der Vorteil eines staatlichen Monopols liegt darin dass höhere Skaleneffekte realisiert werden können. Außerdem profitieren im Vergleich zu einem natürlichen Monopol mehr Menschen von der Geschäftstätigkeit. Generell hat Marktmacht den Vorteil Investitionen zu begünstigen, liefert aber gleichzeitig ein hohes Maß an Missbrauchspotential.

Märkte

Der große Vorteil von Märkten ist der dezentrale Informationsfluss der Akteuren erlaubt, unabhängig, an die lokalen und persönlichen Bedürfnisse angepasste Entscheidungen zu treffen. Allerdings ist in der Realität das Funktionieren von Märkten an viele Bedingungen geknüpft, die nie vollständig erfüllt werden.

Es existiert nicht ein „Markt“, sondern viele unterschiedliche Märkte, die ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen. Der Arbeitsmarkt funktioniert anders, wie der Markt für Lebensmittel, Rohstoffe oder IT-Produkte. Ein wichtiger Unterschied ist das Verhältnis von Angebot und Nachfrage.

Nachfrage und Angebot

Am Ende der Wertschöpfungskette steht meist der Endkonsument. Trägt er die alleinige Verantwortung für Art und Menge der erzeugten Güter und Dienstleistungen einer Volkswirtschaft, weil er die Nachfrage bestimmt? In Wirklichkeit ist die Produktion in manchen Branchen nachfrage- und in anderen angebotsgetrieben. Die Produktfertigung kann sich nach den verkauften Produkten im Handel richten oder Waren werden auf Lager produziert um diese über Rabattaktionen auf den Markt zu bringen (Pull bzw. Push-Systeme).

Die Nachfrage von Konsumenten selbst ist viel diffuser als in der Theorie angenommen. Menschen nutzen für ihre Kaufentscheidung Heuristiken, die nur wenige Informationen berücksichtigen (z.B. den Preis). Gerade bei identitätsstiftenden Güter, ahmen Verbraucher das Kaufverhalten anderer nach (rivalisierender Imitation: Trendsetter und Mitläufer bilden sich heraus). Vertriebs- und Marketingmaßnahmen von Unternehmen unterstützen diesen Prozess, unter Ausnutzung psychologischer Effekte wie das des Priming.

Skin-in-the-Game: Macht und Verantwortung

Skin-in-the-Game bedeutet, dass jemand der Entscheidungen trifft, Vorgaben macht oder Ratschläge abgibt, bei Fehleinschätzung und Misserfolg die verursachten Schäden und Kosten mitträgt. Die Missachtung des Skin-in-the-Game Prinzips führt zu Asymmetrien: Macht und Autorität korrespondieren nicht mit der Übernahme von Verantwortung und eingegangener Risiken Dies äußert sich in der Bevormundung von Bürgern durch Politiker, Akademiker und Journalisten, der Sozialisierung von Verlusten und Privatisierung von Gewinnen, z.B. während der Bankenkrise, oder indem die Verantwortung von Missständen seitens der Mächtigen auf andere, im Namen der Eigenverantwortung, abgewälzt wird.

Steuerung: Geld, Information, Wert

Geld entsteht größtenteils bei der Kreditvergabe durch Geschäftsbanken und stellt einen Anspruch auf zukünftige Leistungen dar. Das erzeugte Kreditgeld kann das Produktionsniveau erhöhen (Investitionen: Produktion, F&E), die Preise für Ge- und Verbrauchsgüter (Konsum) oder für Vermögensgüter (Spekulation: Immobilien, Aktien, Anleihen) steigern.
Die Informationsfunktion des Geldes spiegelt sich in Preisen Kosten und Schulden wider.

Preis

Der Preis einer Ware dient als Informationsverdichtung und beinhaltet Knappheit, Aufwand der Herstellung oder den Nutzen, den diese bereitstellt. Er wird als Maß für Qualität und Leistung interpretiert.

Kosten

Der Kostenrechnung kommt eine wichtige Aufgabe bei der Kontrolle der Nachhaltigkeit zu. Sie legt fest, in welchen Bereichen die Kommunikation von Knappheit ansetzt und bietet daher großes Potential Veränderungen anzustoßen. Ökologische und soziale Kosten werden allerdings nicht erfasst bzw. finden keinen Einzug in die Kostenrechnung.

Schulden

Wenn Geld erzeugt wird steigen sowohl Schulden als auch Vermögen an. In einer Schuldenkrise bedeutet die Reduktion von Schulden letztendlich auch die Reduktion von Vermögen. (siehe Geld-Abschnitt) Der Wohlstand einer Gesellschaft hängt dabei nicht direkt vom Schuldenstand, sondern vom aktuellen und zukünftigen Produktionsniveau ab. Ökologische Nachhaltigkeit darf nicht mit ökonomischer verwechselt werden, da Geld keine von Natur aus knappe Ressource ist.

Literatur:

Arnsperger, Christian; Varoufakis, Yanis: What Is Neoclassical Economics? The three axioms responsible for its theoretical oeuvre, practical irrelevance and, thus, discursive power. Panoeconomicus 53.1, S. 5-18, 2006.

Baecker, Dirk: Wirtschaftssoziologie. transcript Verlag, 2015.

Berg, Matthew; Hartley, Brian; Richters, Oliver: Stock-Flow Consistent Input–Output Models as a Bridge Between Post-Keynesian and Ecological Economics. FMM conference, 2015.

Graeber, David: Schulden: die ersten 5000 Jahre. Klett-Cotta, 2012.

Häring, Norbert: So funktioniert die Wirtschaft. Haufe TaschenGuide, 2013.

Kalecki, Michal: Political Aspects of Full Employment. The Political Quarterly 14.4, S. 322-330, 1943.

Pick, Doreèn; Kenning, Peter: Kommunikation von Knappheit im Einzelhandel. PRAXIS 2, 2012.

Wenzlaff, Ferdinand; Kimmich, Christian; Richters, Oliver: Theoretische Zugänge eines Wachstumszwangs in der Geldwirtschaft; Discussion Papers, Zentrum für Ökonomische und Soziologische Studien, Nr. 45, 2014.

Taleb, Nassim Nicholas: Skin in the Game – Hidden Asymmetries in Daily Life. Random House, 2018.

Werner, Richard A: A lost century in economics: Three theories of banking and the conclusive evidence. International Review of Financial Analysis, 2015.

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