René Girard und das mimetische Begehren

von Ioannis Alexiadis

Vergleichbar zur Schwerkraft in der Physik, ist Nachahmung eine soziale Kraft die bestimmt, was Menschen begehren. Nach Abdeckung der physischen Grundbedürfnisse sind Menschen offen für weitere Dinge die sie wollen. Aber welche? In Wahrheit wissen sie es nicht und sind auf der Suche nach Vorbildern. Wir stellen uns alle die Frage, was wir bloß mit der Zeit anfangen sollen in der wir nicht essen, trinken, duschen oder schlafen.

Die Mimetische Gesellschaft

René Girard hat entdeckt, dass ein Großteil unseres Verlangens auf die Imitation unserer Mitmenschen beruht. Manche Menschen fungieren als Modell, während andere ihre Nachahmer sind. Ob Bestsellerlisten, prominente Personen oder der reiche Nachbar, was andere wollen, bestimmt unsere eigenen Bedürfnisse mit. Bekannte Rollenvorbilder können sein: berühmte Schriftsteller, prominente Sportler oder Sänger, oder eine historische Figur. Oft sind es bereits verstorbene oder beruflich nicht mehr aktive Menschen die als Vorbilder dienen. Diese Art von Modell hat den Vorteil, dass es unerreichbar ist und eine Quelle der Inspiration sein kann, ohne einen Konflikt auszulösen. In der Regel geht der Prozess der Mimesis aber nicht so reibungslos vonstatten.

Rivalisierende Imitation

Unter den Lebenden ist der Abstand zwischen Imitationsvorlage und Nachahmer sehr gering. Der Pfad zur Beispielwerdung scheint greifbar nah. Und hier beginnt der Konflikt, weil nicht jeder zum Nachahmungsbeispiel aufsteigen kann. Probleme der Imitation gehen nämlich dadurch hervor, dass Menschen um die gleichen Dinge konkurrieren. Dieser Wettbewerb führt zu lokalen Fehden und Vendettas, konkurrierenden Religionen und Konfessionen, politischen und sozialen Gruppierungen und reicht bis zu Konflikten zwischen Nationen. Sämtliche dieser Konfliktgruppen untertreiben ihre Gemeinsamkeiten und übertreiben ihre Unterschiede.

Der Ausweg aus der Krise

Menschen imitieren andere Menschen in ihrer Unsicherheit was sie als nächstes begehren sollen, wollen sich aber gleichzeitig von ihren Mitmenschen abgrenzen, weil sie ein zu hohes Maß an Gleichheit abschreckt. Dieser Konflikt wird heutzutage durch Soziale Medien befeuert und führt zu „mimetischen Krisen“ für deren Lösung früher der Sündenbock-Mechanismus und die Marktwirtschaft als soziale Innovationen erfunden wurden. Das Christentum hat den Sündebockmechanismus sichtbar gemacht und mittlerweile wirkt er nicht mehr so gut, und wir benötigen eine dritte Revolution um Konflikte durch mimetische Krisen aufzulösen.

Bücher von René Girard

Warum kämpfen wir? Und wie hören wir auf?: Imitation und Streit.

Figuren des Begehrens: Das Selbst und der Andere in der fiktionalen Realität

Ausstossung und Verfolgung: Eine historische Theorie des Sündenbocks

Auch interessant ist in diesem Zusammenhang das Buch von Luke Burgis: Der Haben-Wollen-Reflex: Wie sehr die Macht der Nachahmung unser Leben bestimmt und wie wir uns davon lösen

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