Eli Pariser hat im Jahr 2011 den Begriff der Filterblase geprägt. Die Filterblase erzeugt abgeschlossene virtuelle Räume von Menschen mit gleicher politischer oder anderweitiger Einstellung, bedingt durch immer feinere Algorithmen, die der Informationsflut im Netz Herr werden sollen. Internetkonzerne nutzen dafür personalisierte Filter (zum Beispiel eine personalisierte Suche auf Google) und stellen dadurch eine Gefahr für die Demokratie dar. Zur Untermauerung seiner These zitiert Eli Pariser Mark Zuckerberg, der gesagt haben soll, dass ein sterbendes Eichhörnchen in deinem Vordergarten im Moment für dich relevanter sein mag, als Menschen die in Afrika sterben. Ist die Filterblase also eine Gefahr für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und das politische Engagement der Bürger?
Bernhard Pörksen argumentiert in eine andere Richtung. Das Internet schafft immense Möglichkeiten. Heutzutage ist es sehr leicht an Informationen gegen die eigene Meinung zu gelangen. Die Abschottung ist nicht systembedingt, sie ist individuell gewollt. Eigentlich handelt es sich nicht einmal um eine Abschottung. Pörksen spricht von der „Transparenz der Differenz“. Gegenmeinungen zur eigenen Einstellung sind aktuell so sichtbar wie nie zuvor. Die Konfrontation mit der Gegenmeinung wird gezielt gesucht. Das Problem der Radikalisierung scheint nicht primär am Filter zu liegen. Ich denke Marker sind es, die aggressives und sektiererisches Verhalten im Netz auslösen. Die Konfrontation mit der Geschwindigkeit und Flut an Informationen verführt Nutzer dazu über einen Marker (eine in einem Text identifizierte Wortkombination) immer wieder die falschen Filter zu selektieren und sich darüber zu radikalisieren. Das führt dazu, dass man über manche Themen wie Corona oder Flüchtlinge gar nicht mehr vernünftig diskutieren kann, weil ein Marker automatisch einen Filter- und Reaktionsprozess in Gang setzt.
Man muss dem Internet aber zu gute heißen, dass es für Informationssymmetrie sorgt. Die Entscheidung über die Dinge informiert sein zu wollen, die man als relevant für sich erachtet, hatten die Generationen vor uns nicht. Der Informationsfluss ging nur in eine Richtung und die Nachrichten wurden von den Medien vorselektiert. So berichtet Stefan Zweig in seinen Memoiren, dass von den Kämpfen zwischen Heimwehr und Arbeiterschaft 1934 in Wien, Zeitungsleser in New York oder London wesentlich schneller erfuhren als er, der sich nur wenige Straßenzüge vom Geschehen entfernt aufhielt.
Literatur:
Pariser, Eli: When the Internet Thinks It Knows You. New York Times, 22.05.2011.
1 Kommentare
Um die „richtige“ Antwort zu bekommen, muss ich erst die „richtige“ Frage formulieren.