An der Universität Nordtexas spielte sich 2019 folgendes Schauspiel ab. Der Mathematik-Professor Nathaniel Hiers wurde entlassen, wegen eines mit Kritik behafteten Scherzes über das akademische Konzept der Mikroaggression. Daraufhin verklagte er die Universität.
Besagte Theorie behauptet, Mikroaggressionen seien kurze, alltägliche Äußerungen, die an marginalisierte Gruppen für sie verletzende und abwertende Botschaften senden. Da die privilegierte Mehrheit die Auswirkungen ihres Verhaltens gar nicht selbst durchschauen kann, solle sie die Ansichten ihrer Opfer einfach annehmen. Solch eine universelle „Opfersicht“ birgt ihre Tücken.
Äußerungen und Verhaltensweisen die als ideologisch motivierte Aggression ausgelegt werden, müssen immer in Bezug zum „Täter“ beurteilt werden. Er ist es, den die Ideologie vereinnahmt. Er ist es, der die Aggression in sich trägt. Warum soll ich seine versteckte Aggressivität dann beim ideologiefreien „Opfer“ suchen? Sprachen und Gesten sind symbolhaft und vieldeutig. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir in den Aussagen eines beliebigen Menschen etwas finden, das für eine andere Person nach Mikroaggression oder gar Rassismus klingt. Der Aufbau eines verallgemeinernden Täter-Opfer-Schemas, das neue Gräben zwischen Menschen aufreißt, hilft niemandem und wirkt kontraproduktiv. Im Nachgang des Streits um seine Entlassung äußerte sich Hiers nochmal zum Konzept der Mikroaggressionen, das ihm zufolge „der Diversität und Toleranz schade”, weil es „Menschen beibringt das Schlechte in anderen zu sehen, eine Kultur des Opfertums fördert und alternative Ansichten unterdrückt, anstatt Dialog und Entwicklung zu ermöglichen.“[1]
Sollte es eine Gesellschaft nicht als erstrebenswert ansehen, selbstbewusste Bürger zu beherbergen, die eingebettet in einem ihnen wohlgesonnenen Netzwerk aus Freunden und Verwandten den Widrigkeiten des Lebens trotzen? Allein dies bleibt zu vielen Menschen aktuell verwehrt. Warum also Menschen einreden ihr Selbstwertgefühl daraus zu beziehen, wie Fremde sie anscheinend beurteilen?
Harris, S. (27. April 2020). Fired for his views, UNT math professor brings free speech lawsuit.
[1] (Harris, 2020)